Verstimmung bei den Turmbläsern

Ein Artikel aus dem Erdinger Anzeiger vom 17. Dezember 2019:

Orchester der Kreismusikschule wird von Stadtkapelle ersetzt – Kompromiss sorgt für Unmut

Erding – Zum 47. Mal findet das traditionelle Turmblasen am Schrannenplatz an Heiligabend statt. Seit der Gründung ist das Blasorchester der Kreismusikschule (KMS) daran beteiligt. Doch dieses Jahr wurden die ambitionierten Laienmusiker vom Turm verbannt. Sie müssen ihre lieb gewonnene Tradition an die mit vielen Preisen ausgezeichnete Stadtkapelle abgeben. Verfügt hat das Reinhard Loechle, Organisator und Mitbegründer des Turmblasens. Er teilte sein Vorhaben dem Blasorchester in einer E-Mail am 4. November mit. Loechles anfängliche Idee war, das KMS-Blasorchester und die Altbairische Blasmusik, die seit rund fünf Jahren vor dem Rathaus ebenfalls am Turmblasen beteiligt ist, könnten sich künftig abwechseln. Das wendete Bernd Scheumaier, Leiter der KMS, in einem Telefongespräch mit seinem Vorgänger Loechle ab: „Das hätte bedeutet, dass unser Blasorchester heuer gar nicht dabei gewesen wäre. Das wäre wirklich ein Affront gewesen.“

Das neue Programm beginnt an Heiligabend nun eine viertel Stunde früher, sprich um 16.45 Uhr. Den Anfang macht die KMS-Blaskapelle vom Schrannenplatz aus, ab 17 Uhr spielen die Stadtkapelle vom Turm und die Altbairischen Bläser vor dem Rathaus im Wechsel. Zum Schluss gibt es noch ein gemeinsames Finale mit „Stille Nacht“.

Kreisvolksmusikpfleger Loechle begründet seine Entscheidung für die Stadtkapelle mit einer „nicht zufriedenstellenden Klang- und Tonqualität“ des Blasorchesters in den vergangenen Jahren, die aber nicht von der Qualität der Musiker herrühre. Sie sei darin begründet, dass das KMS-Blasorchester aus Blech- und Holzbläsern besteht und letztere von der erhöhten Position Intonationsprobleme hätten. Die Stadtkapelle spielt dieses Jahr ausschließlich mit Blechbläsern.

Kurt Müller, Leiter der KMS-Blaskapelle, ist mit dem Kompromiss nicht zufrieden. „Wir kommen uns vor wie eine Vorgruppe. Wir wären auch gerne beim Hauptgeschehen mit dabei.“ Müller und seine Musiker hätten einer Rotation aller drei Beteiligten mit jeweils fünf Stücken als fair empfunden. Gleichermaßen akzeptabel wäre der Vorschlag, den Spielort – Turm, Schrannenplatz und Rathaus – abzuwechseln. Loechle meinte dazu: „Wenn die Kreismusikschule irgendwann ein reines Blechblasorchester hat, können sie ja wieder auf den Turm.“ Müller wundert sich ein bisschen, dass Loechle das Programm allein bestimmen könne. Doch Stadt-Sprecher Christian Wanninger bestätigte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass dem so sei.

Scheumaier betonte, dass er nichts gegen eine Veränderung habe und es sogar begrüße, dass die Stadtkapelle, mit der die KMS ein „sehr vertrauensvolles Verhältnis“ habe, in das Geschehen mit einbezogen werde. Doch das Vorhaben hätte fair, gleichberechtigt und nicht so kurzfristig umgesetzt werden müssen. So seien viele vor den Kopf gestoßen worden. „Ich bin täglich mit dieser Sache beschäftigt“, sagt Scheumaier. Für den KMS-Leiter ist auch noch nicht das letzte Wort gesprochen. „Ich bin mit der aktuellen Lösung nicht wirklich zufrieden. Im neuen Jahr werde ich ein Treffen mit allen Beteiligten einberufen, bei dem wir hoffentlich zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung kommen.“

Endlich angekommen

Ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 5. Dezember 2019:

Die Stadtkapelle ist glücklich: Über der neuen Mensa in Altenerding hat sie endlich ein Domizil. Fachleute haben geholfen, den 230 Quadratmeter großen Proberaum professionell auszustatten.
Dirigent Martin Hirsch gibt Anweisungen an die sieben Trompetenspieler. Er summt die Melodie des nächsten Stückes: „Ganz filigran soll es klingen.“ Die Musiker der Stadtkapelle Erding warten auf das Zeichen von Hirsch. Er atmet tief ein und schwenkt seinen Taktstock. Schluss mit Stille. Die Melodie erfüllt den neuen Proberaum der Stadtkapelle über der neu gebauten Mensa der Grund- und Mittelschule Altenerding mit Klängen von Tuba, Hörner, Trompeten, Klarinetten, Posaunen und Saxofone und mehr.

Die hölzerne Decke ragt fünfeinhalb Meter hoch nach oben. 36 Segel hängen herunter – alles für den guten Klang. Seit September nutzt die Stadtkapelle Erding ihren neuen Proberaum. Die Architektur des 230 Quadratmeter großen Raumes ist auf den Klang der Instrumente ausgerichtet. Raumakustikspezialisten der Firma Fox Holz aus Österreich haben den neuen Proberaum über der Mensa in Altenerding mit Erdinger Architekten konzipiert. Helles Holz bestimmt die Farbgebung des Raumes. „Wir Musiker fühlen uns durch den eigenen Proberaum sehr wertgeschätzt“, sagt Klarinettenspielerin Rebecca Holzner. Die Stadt Erding mache den Musikern der Stadtkapelle damit eine große Freude. „Endlich haben wir ein musikalisches Zuhause bekommen“, sagt auch der junge Musiker Moritz Birg. Nun könnten sich alle Musiker der Kapelle gegenseitig hören, ergänzt Antonia Träger, die seit 2000 in der Stadtkapelle Trompete spielt. Es sei ein ganz anderes Gefühl, in diesen neuen Proberaum zu kommen. „Die muffige Turnhalle am Fliegerhorst gehört zum Glück der Vergangenheit an“, sagt sie. Wenn die Flöten am anderen Ende des Raumes spielen, könne sie nun jeden Ton hören. Das wäre davor nicht möglich gewesen.

Martin Hirsch leitet das Orchester seit Mai 2004 . „Damals waren wir noch viel weniger Musiker“, erinnert er sich. Die Mitgliederzahl stieg an, somit wurden auch die genutzten Quartiere um zu proben immer kleiner. Richtig angekommen wäre die Stadtkapelle bis vor zwei Monaten nicht. Hier hätte das Blasorchester nun endlich ein dauerhaftes und vor allem hochprofessionelles Domizil, sagt Hirsch. „Endlich ist es akustisch transparent. Ich kann jedes einzelne Instrument hören.“ Vorher wäre das allein schon wegen des Teppichs nicht möglich gewesen. Über die architektonische Hilfe der Firma Fox Holz sei er besonders erfreut. Den Wunsch, die Spezialisten zu beauftragen hatte er im Vorfeld bei der Stadt geäußert. Durch die spezielle Ausrichtung auf Blasorchester wüsste die Firma genau was „Frequenz frisst und wie die Materialien reagieren“.

Der Proberaum gehört nach wie vor der Stadt, steht der Stadtkapelle aber uneingeschränkt zur Verfügung. Von dem Mensabetrieb im Erdgeschoss des Gebäudes bekommt das Orchester nichts mit. Die Proben der Jugend- und Stadtkapelle finden ausschließlich donnerstags statt. Allerdings stehen dem neuen Proberaum noch zwei weitere Einzelproberäume zur Verfügung. „Die Einzelproberäume nutzen wir hauptsächlich für die Nachwuchsförderung“, sagt Hirsch. Eine Handvoll selbständiger Musiklehrer unterrichtet jeden Nachmittag Saxofon, Trompete und Klarinette. Die Stadtkapelle kümmert sich auch um den Nachwuchs, damit sie auch weiterhin bei Wettbewerben des Musikbundes von Ober- und Niederbayern Top-Platzierungen erreichen kann – so wie in den vergangenen Jahren. Die Stadtspitze ist stolz auf die Kapelle, deswegen durfte sie sich 2014 bereits in das Goldene Buch der Stadt eintragen. Im selben Jahr wurde ihr auch der Kulturpreis des Landkreises verliehen.

Bildunterschrift: Da passt eine Menge Musik rein: Der Raum ist fünfeinhalb Meter hoch, die Segel unter der Decke optimieren den Klang.