Ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 19. November 2021:
Chöre, Musikkapellen und Ensembles proben Corona-bedingt unter erschwerten Bedingungen. Gerade wird ein Konzert nach dem anderen abgesagt. Und viele Leitungen fragen sich: Wir planen, aber wofür?
Noch hofft Christoph Träger, erster Vorsitzender der Stadtkapelle Erding, dass der Erdinger Christkindlmarkt tatsächlich eröffnet wird und der geplante Auftritt stattfinden kann. Die Hoffnung ist relativ klein, das gibt er zu. „Aber man muss planen, es hilft nichts.“ Angesichts der explodierenden Corona-Infektionen werden gerade täglich Veranstaltungen abgesagt. Proben finden noch statt, wenn auch unter Vorbehalt und erschwerten Bedingungen. Schön langsam geht den Musikkapellen, Orchestern, Chören und Ensembles die Puste aus.
„Wir proben, aber in 2G“, sagt Christoph Träger. In dem neuen großen Übungsraum in Erding sei auch Platz für 30 bis 35 Leute mit Abstand. Fast alle seien geimpft, so dass relativ vollständig geprobt werden kann. Nur mit Auftritten schaut es schlecht aus: „Im Moment geht gar nichts“, sagt Christoph Träger. Deshalb würden sich alle auf den geplanten Aufritt am Christkindlmarkt freuen. Allerdings wackelt die Veranstaltung gerade sehr. Er gehe momentan davon aus, „dass bis April nicht viel passieren wird“.
Durch den langen Lockdown der Schulen habe auch die Kooperation mit den Bläserklassen an Mädchenrealschule Heilig Blut und der Carl-Orff-Schule gelitten. Träger rechnet damit, „dass in den nächsten zwei bis drei Jahren weniger Nachwuchs zu uns kommt“.
Das Jugendkammerorchester Violinissimo aus Erding hat im Kalender einen Auftritt im Konzerthaus Wien am 29. November stehen. „Wir proben gerade und wir fahren auch hin“, sagt Leiterin Ulli Büsel. Zum Glück seien fast alle geimpft. In Wien soll es dann möglichst keine Außenkontakte geben. In einer Art Blase würden die Musizierenden mit dem Bus zum Konzerthaus fahren und wieder zurück. Für die jungen Mitglieder sei das schon schade, dass sie von der Stadt nichts sehen. Vielleicht sei ja wenigstens eine Rundfahrt drin.
Inzwischen sei das Organisieren von Fahrten und Auftritten sehr aufwendig geworden, so Büsel. „Es ist nicht lustig im Moment. Und wenn ich an den Winter denke, wird es nicht besser.“ Und doch sei es keine Frage, dass sie weiterproben, weiterplanen – „gerade für die jungen Menschen ist es so wichtig, dass sie etwas haben, dass ihnen Freude macht“, das ihnen Zuversicht gebe und ein Ziel vor Augen.
Das Jubiläumsjahr zum 50-jährigen Bestehen der Kreismusikschule (KMS) hat sich Schulleiter Peter Hackel auch anders vorgestellt. Bis auf weiteres sind alle öffentlichen Veranstaltungen in 2G abgesagt. Er könne sich angesichts der Inzidenzzahlen nicht vorstellen, entspannt in einem Konzert zu sitzen. Nun will er versuchen, in den nächsten Wochen Konzerte aus der KMS im Livestream zu übertragen. Im Großen und Ganze sei er froh, dass an den Musikschulen einigermaßen Normalbetrieb in 3G möglich ist. Er müsse nur auf ganz wenige Lehrkräfte verzichten und es fehlten kaum Schüler oder Schülerinnen. Und Ensembles proben jetzt im großen Konzertsaal der KMS, so könne ausreichend Abstand gehalten werden, so Peter Hackel.
Der Gospelchor Look of Joy aus Wörth hat sich vorgenommen, diesen Freitag zu proben, im Pfarrheim Wörth und mit 2Gplus. Also plus Schnelltests für jeden. Geprobt wird laut Georg Osseforth unter anderem für das Adventssingen, das, Stand Wochenbeginn, am 4. Dezember in der Pfarrkirche Oberneuching stattfinden soll. „Ehrlich gesagt, ich sehe da ein bisschen schwarz“, sagt Osseforth. „Man kann im Grunde nichts planen.“
Auch Georg Rothenaicher, Chordirektor des Pfarrcaecilienvereins Erding, klingt am Telefon resigniert. Die Kulturschaffenden machten „äußerst schwierige Zeiten“ durch. Im Saal im St. Johanneshaus hätte wegen des vorgeschriebenen Abstands nur die Hälfte des Chors Platz. Also probe man in der St. Johannes Kirche, verteilt mit je zwei Metern Abstand. Noch sei 3G erlaubt, „aber niemand weiß, was morgen gilt.“ Etwa eine Handvoll der Mitglieder pausiere gerade, „ob wegen der Testerei oder aus Angst oder einem anderen Grund, ich kenne die Gründe nicht“. So proben die Chöre wenigstens nahezu vollständig, „und alle wollen singen“, so Rothenaicher. Aber ob es mit den geplanten Konzerten klappt, das sei mehr als fraglich. „Natürlich planen wir Auftritte, aber wir müssen immer auf Sicht fahren.“ Aber was heißt das schon: Planen. Am gestrigen Donnerstag trafen sich Bund und Länder zum Corona-Gipfel. Gut möglich, dass heute schon wieder neue Regeln gelten.