Ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 15. Dezember 2017:
Ulrike Scharf (CSU) feiert ihren 50. Geburtstag. Die Erdingerin fordert einen besseren Umweltschutz. In Bayern verschwinden täglich 13 Hektar Land. Ein Gespräch über Flächenfraß, schwierige Interessenkonflikte und Jagderlebnisse
Ulrike Scharf empfängt in ihrem Büro in Erding. An der Wand hängt ein Bild von Harry S. aus seinem Schliersee-Zyklus. Im Hintergrund zeigt es die Berge und den See, im Vordergrund tanzen Menschen in Tracht. Scharf mag das Bild, weil es „Natur und Tradition verbindet“. In Ihrem Münchner Büro hängt ein ähnliches Bild. Scharf ist Kreisrätin und Landtagsabgeordnete. 2014 hat Horst Seehofer sie zur bayerischen Umweltministerin berufen. Am Samstag wird Scharf 50 Jahre.
SZ: Frau Scharf, nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen musste die CSU ihren Parteitag verschieben. Nun fällt er auf Ihren Geburtstag. Mussten Sie umplanen?
Ulrike Scharf: Ein bisschen. Ich hatte eigentlich für Samstagvormittag einen Stehempfang beim Weißbräu geplant. Dann wurde der CSU-Parteitag auf dieses Wochenende gelegt. Jetzt gibt es den Stehempfang einen Tag später. Es werden 200 Leute kommen, Bürgermeister, Kreisräte, auch der Ministerpräsident hat sich angekündigt. Besonders freut mich, dass die Stadtkapelle spielen wird, bei der ich schon lange zweite Vorsitzende bin.
Immerhin verspricht der Parteitag harmonisch zu werden. Die CSU bemüht sich nach den erbitterten Grabenkämpfen der vergangenen Wochen um Einigkeit.
Das war immer unsere Stärke. Wir marschieren mit großer Geschlossenheit, gerade in Wahlkampfjahren. Es ist gut, dass die Entscheidungen in der Personaldebatte jetzt gefallen sind.
Täuscht diese vermeintliche Harmonie nicht darüber hinweg, dass die CSU das Ergebnis der Bundestagswahl noch nicht wirklich aufgearbeitet hat?
Wir haben sehr intensive Analysen betrieben, das war auch richtig und notwendig. Wir mussten uns darüber klar werden, warum und wohin die Wähler abgewandert sind. Das ist ganz entscheidend, um sie bei der nächsten Wahl zurückzugewinnen.
Was war Ihrer Meinung nach der Hauptgrund?
Monokausal lässt sich das nicht sagen. Einer der Hauptgründe war sicher die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin. 14 Tage nach der Wahl hat sich die Union auf eine gemeinsame Haltung in der Flüchtlingspolitik verständigt – die ersten Reaktionen waren: Das hätten wir 14 Tage vor der Wahl auch gut brauchen können.
Gilt dasselbe nicht auch für die neue CSU-Doppelspitze Söder-Seehofer? Auch diese Konstellation hätte man einfacher haben können.
Wir sind jetzt personell gut aufgestellt. Die Doppelspitze war ja auch mit einem Prozess verbunden. Das hat es in der CSU-Geschichte immer wieder gegeben. Dinge müssen reifen. Man kann nicht in Berlin sondieren und gleichzeitig zu Hause eine neue Aufstellung planen.
Nun wird also Markus Söder in wenigen Wochen Seehofer als Ministerpräsident ablösen. Wird er Ihrer Meinung nach das Kabinett umbilden?
Eine Position muss er in jedem Fall nachbesetzen.
Hat er schon mit Ihnen gesprochen?
Er ist ja noch nicht Ministerpräsident, vor Weihnachten wird es keine Gespräche geben. Zumindest steht nichts im Kalender (lacht).
Finanzminister im reichen Bayern gilt als vergleichsweise leichter Job. Ihr Ministerium wirkt deutlich schwieriger mit all dem Gegenwind der Opposition, Verbände und Bürger?
Minister in Bayern zu sein, ist grundsätzlich eine besondere Aufgabe. Aber es gibt in den Ressorts ganz unterschiedliche Herausforderungen. Gerade der Verbraucherschutz ist eine sehr sensible Angelegenheit. Die Bürger erwarten, dass sie zu 100 Prozent sichere Lebensmittel kaufen können.
In Bayern gab es ja eine ganze Serie von Fehlern.
Gehen Sie mal bewusst durch den Supermarkt. Wir hatten nie eine höhere Vielfalt, nie waren die Lebensmittel sicherer. Pro Jahr 150 000 Betriebskontrollen, 70 000 Probenahmen, über 99 Prozent der untersuchten Produkte sind sicher. Das vergisst man oft. Aber Sie haben recht, es gab einige schwierige Fälle. Auch mit krimineller Energie.
Damit das nicht mehr passiert, haben Sie eine neue Kontrollbehörde ins Leben gerufen. Ein Standort ist Erding, der Sitz ist allerdings vorläufig Oberding. Gibt es Ideen für einen Standort in Erding?
Entscheidend ist, dass diese sehr spezialisierte Behörde gut ans Verkehrsnetz angebunden ist. In Oberding ist das der Fall. Klar ist aber auch: Der Standort ist nur vorübergehend.
Könnte man zum Beispiel warten, bis der Fliegerhorst frei ist?
Wir stehen nicht unter Zeitdruck. Wir haben eine sehr gute vorübergehende Möglichkeit gefunden.
Wenn wir schon im Landkreis sind: Steigt mit Söder als Ministerpräsident die Wahrscheinlichkeit, dass die dritte Startbahn kommt?
Seine Aussagen dazu sind klar. Wie er damit umgeht, wird man sehen. Bisher hat er sich klar pro Startbahn positioniert. So wie übrigens der Großteil des Kabinetts. Ich bin die einzige, die sagt: Nein.
Mal etwas ganz anderes: Stimmt es eigentlich, dass Sie Jägerin sind?
Das stimmt (lacht). Nach der Landtagswahl habe ich einen Jagdkurs gemacht. Der Jagdschein war ziemlich aufwendig, er heißt nicht umsonst „das grüne Abitur“.
Sind Sie treffsicher?
Ja, ich denke schon (lacht).
Wo gehen Sie jagen?
Das hängt davon ab, wie mein Terminkalender Luft lässt. Zum Beispiel in den Bergen in Südtirol. Mein Partner ist Südtiroler und leidenschaftlicher Jäger.
Manche sagen, die Jagd sei das Naturerlebnis schlechthin. Der Mensch, der eins wird mit der Natur.
Ich war vor ein paar Wochen bei einer großen Jagd in Grafenwöhr. Das Wetter war furchtbar, es hat in Strömen geregnet. Es war aber ein richtiges Erlebnis.
Erzählen Sie gerne mehr!
Ich bin auf einem Hochsitz am Waldrand gesessen, viereinhalb Stunden. Es kam ein Sturm und als dieser sich gelegt hatte, hörte man jedes Blatt, das vom Baum fällt. Es ist eine wunderbare Sache, in der Natur zu sitzen und den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Als dann auch noch die Tiere unmittelbar hinter mir vorbei und auf die Wiese gelaufen sind war das, als würde man im Kino sitzen und einen Film schauen.
Waren Sie denn erfolgreich?
Ja. Aber darum geht es nicht in erster Linie.
Sie haben einmal gesagt, der Reichtum Bayerns bestehe nicht nur in Gewerbegebieten. Als Ministerin haben sie sich stets klar für Umweltschutz ausgesprochen.
Ein Land wie Bayern, das sich so dynamisch entwickelt, braucht dieses Gegenstück. Die Menschen sagen mir immer wieder, dass sie sich mehr Natur wünschen. Es gibt ganz aktuell den Werteindex 2018. Bisher lagen immer Gesundheit, Sicherheit, Familie vorne. Jetzt steht die Natur an erster Stelle.
Heimatminister Markus Söder, so scheint es, würde am liebsten überall Gewerbegebiete ausweisen. Stehen Sie mit der Position in der CSU nicht ziemlich alleine da?
Ganz bestimmt nicht. Natürlich gibt es Interessenskonflikte. Jede Kommune hat ein legitimes Interesse, sich zu entwickeln. Vom Wohnungsbau bis zum Gewerbegebiet. Wir können uns nicht nur auf den Boden setzen, Lagerfeuer machen und hoffen, dass das in die Zukunft führt. Auf der anderen Seite ist unser grünes Tafelsilber nicht vermehrbar.
Und es wird immer weniger. Täglich verschwinden 13 Hektar Land. Die Grünen haben eine Initiative gegen den Flächenfraß gestartet.
Klar ist: Wir brauchen Lösungen im Konsens mit den Kommunen. Seit Jahren betreiben wir Flächenmanagement, wollen eine Flächenkreislaufwirtschaft entwickeln. Wir wollen keine neuen Flächen verbrauchen, sondern Flächen recyceln. Das scheint bislang nicht besonders gut zu funktionieren.
Es funktioniert schon, aber noch zu wenig. Eines darf man aber nicht vergessen: Wir sind seit der Wende bald zwei Millionen Menschen mehr geworden in Bayern – und der Trend hört nicht auf.
Aber 13 Hektar pro Tag sind zu viel, oder?
Eindeutig zu viel, da sind wir uns einig. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um diesen Wert weiter zu senken.
Warum propagiert die CSU Umweltschutz nicht stärker?
Ich bin überzeugt, dass wir hier noch besser werden müssen. Nicht nur als CSU. Die Bayern waren die ersten in Deutschland, die 1970 einen Nationalpark eröffnet haben, im Bayerischen Wald. Das Bayerische Umweltministerium wurde auch in jenem Jahr gegründet, damit waren wir die ersten in ganz Europa mit einem eigenen Umwelt-Ressort. Ich halte Umweltschutz für zutiefst konservativ. Auch Klimaschutz ist ein konservatives Thema und keine Erfindung der Grünen. Umweltschutz passt sehr gut zur CSU und das zeigen wir an konkreten Themen.
Sie sind mittlerweile so richtig drin im Thema Umwelt- und Verbraucherschutz. Ihr Vorvorgänger, Markus Söder, wird demnächst Ministerpräsident. Haben Sie weiterführende Ambitionen?
Ich würde zunächst sehr gerne wieder für den Stimmkreis Erding in den Wahlkampf ziehen. Mein „Vertrag“ als Landtagsabgeordnete läuft bis 2018. Das Ministeramt macht mir große Freude. Alles weitere ist Lesen im Kaffeesatz.
Es hängt ja auch viel am Wahlausgang. Von der absoluten Mehrheit scheint die CSU derzeit weit entfernt.
Wir arbeiten mit aller Kraft gemeinsam darauf hin, wieder eine absolute Mehrheit zu erreichen.
Mit 50 steht man in der Mitte des Lebens, sagt man. Sie machen einen durchaus zufriedenen Eindruck.
Der 50. Geburtstag ist ein Anlass, zurückzuschauen und einen Blick nach vorne zu wagen. Mein Sohn ist erwachsen, meinen Eltern geht es gut, ich habe ein wunderbares familiäres Umfeld, eine gute Beziehung. Sie haben Recht: Ich bin privat rundum zufrieden, ja. Beruflich gilt: Auch wenn es mit vielen Anstrengungen verbunden ist, will ich weiter hart für die Menschen in Bayern arbeiten.